Rurberg

Rurberg (bis 1955 Ruhrberg) (Gemeinde Simmerath)  (Frühe Zeugnisse: a. 1516 indeme Berge; a. 1560/61 der Berg; a. 1597/98 in den Merdersbergen; a. 1649 Merderß Berg)

Rurberg liegt am südlichen Ende des Rurstausees Schwammenauel links der Rur. Am südlichen Ortsende sind durch weitere Stauwerke der Eiserbach (von Kesternich) zu einem Badesee und die Rur durch den Staudamm Paulushof zum Obersee aufgestaut.

Bauernhaus um 1910

Straßenverbindungen nach Rurberg bilden die L 128 von Steckenborn über Woffelsbach, die L 166 von Kesternich und die L 149 von Pleushütte / Einruhr her. Im Rahmen der Talsperrenbauten ist in den 50er Jahren die Verkehrserschließung des gesamten Raumes grundlegend verändert worden, während bei der Landesaufnahme 1649 die entlegene Situation des Rurtales ausdrücklich hervorgehoben wurde. Rurberg bietet das wohl ungewöhnlichste Beispiel der Entstehung eines Dorfes im Monschauer Land: Zum einen ist das heutige Dorfbild und der Eindruck einer einigermaßen zusammenhängenden Siedlung erst das Ergebnis der Aufstockung der Rurtalsperre 1958; beachtliche Teile des alten Rurberg sind im See versunken. Zum anderen sind die Ansiedlungen im Rurtal, das in diesem Bereich einen weiten Talboden aufwies, zunächst nicht als éine Ortschaft wahrgenommen worden. Das wohl früheste Zeugnis für die Wahrnehmung als Einheit steht a. 1516 im  Monschauer Landrecht, wo unter dem Kapitel der Mühlen den Bewohnern von Kalterherberg, Simmerath und indeme Berge die Wahl der Mühle innerhalb des Amtes freigestellt ist. Die in diesem Text gebrauchte Benennung ist in den Nachbargemeinden  bis heute in der Mundart im Gebrauch (en de Béresch ‚in den Bergen‘). Der Prozess hat sich aber längere Zeit hingezogen. Eine Steuerliste des Amtes  von 1551 gibt nämlich unter der Rubrik „Kesternich“ zu erkennen, dass einige der Verzeichneten tatsächlich im heutigen Rurberg ansässig waren und eine allgemeine Anerkennung als eigene Dorfsiedlung sich noch nicht durchgesetzt hatte. Personenbezeichnungen der Liste wie Merders Jengen oder der aldt Merder sin sun ‚der Sohn vom alten Merder‘ zeigen, dass der auch gebrauchte Ortsteilname Merdersberg von Bewohnern dieses Familiennamens den Ausgang genommen hat. Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts tauchen dann Benennungen der Art In den Rurbergen auf.

Kirche um 1955

Der Dorfbildung ist eine Anzahl von Einzelhöfen und Rodungsplätzen vorangegangen, die in der Regel vor das Jahr 1500 zu datieren sind, wie frühere Erwähnungen dartun, z.B. Weidenauel (1468), Balduinshof /Paulushof (1491), Grassteck (1479), Breuershof / -höfe, Merdersberg, Hövel u.a. In der Jülicher Zeit bildete auf dieser Höhe der Rur der Fluss die Grenze zum Amt Heimbach. Daher gehörten die beiden erstgenannten Höfe bis zu ihrem Untergang im Rurstausee Schwammenauel nicht zum Kreis Monschau, sondern nach Schleiden (s. Weidenauel, Paulushof). Die Erschließung des Rurtales scheint von Heimbacher Seite  ausgegangen zu sein, wie die Namen von Hofinhabern und Interessenten (z.B. Kloster Mariawald im Kermeter) zu erkennen geben (vgl. Eschauel). Eine ausführliche Ortsgeschichte müsste daher mit der Geschichte der einzelnen Höfe einsetzen, dieser nachgehen und sie abschließend in die Gesamtdarstellung des Dorfes einfließen lassen.

Wie bei Eschauel sind im Talgrund der Rur bis Rurberg aufwärts archäologische Fundstellen der römischen Zeit festgestellt worden, die aber alle keine Kontinuität mit heutigen Siedlungsplätzen aufweisen. Wie an den Fundplätzen auf der Hochfläche oberhalb des Rurtals zeigt dieser Befund, dass das Monschauer Land im Mittelalter neu erschlossen und besiedelt worden ist.

Seit den 40er Jahren des  16. Jahrhunderts bekannten sich in größerer Zahl Bewohner des Monschauer Landes zum Täufertum. Die weit überwiegende Zahl dieser Täufer hielt sich  im „unteren Kirchspiel“ Simmerath in der Nähe zur Rur auf, über die sie bei Verfolgung leichter ins „Ausland“ (d. i. das zu Schleiden gehörige Land Überruhr) ausweichen konnten. Der von Rurberg an rechts der Rur gelegene Bereich gehörte allerdings zum Amt Heimbach im Herzogtum Jülich. Eine Liste der geflohenen Täufer von 1597/98 verzeichnet die meisten für Kesternich, wobei ein Teil der zu Kesternich Genannten sicher in Rurberg ansässig war. Unter diesen war auch die Maria vom Stein, die im Jahr 1552 durch Ertränken in der Rur hingerichtet worden ist.

Tankstelle 1937
Rurberg 1937

Zur Zeit der Siedlungserschließung des Rurtals bestand bereits Simmerath als zweite Pfarre des Monschauer Landes, so dass die Bewohner von Beginn an dieser Pfarre zugeordnet waren. Nach Errichtung einer Kapelle auf dem Hövel (1700) wurde Rurberg 1701 Rektorat unter Simmerath, danach in Zuge der Begründung des ersten Bistums Aachen der französischen Zeit 1804 eigene Pfarre mit Woffelsbach. Die 1907 um eine Vorhalle erweiterte Kirche wurde 1945 völlig zerstört, ein Neubau 1950 geweiht (St. Barbara).

Nach der preußischen Kommunalordnung 1816 bildete Rurberg eine Bürgermeisterei mit Pleushütte. Für die Folgezeit aber war das Jahr 1836 entscheidend, als die Bürgermeistereien Dedenborn, zu der auch Woffelsbach und Hechelscheidt gehörten, und Rurberg (mit Pleushütte) zur Bürgermeisterei Rurberg vereinigt wurden; 1851 erfolgte die Verwaltung in Personalunion mit Kesternich. Bei der Einrichtung von Ämtern 1936 erfolgte Zuordnung zum neuen Amt Kesternich bis 1972.

Das Klima im Rurtal ist deutlich milder als auf den Höhen am Fuß des Hohen Venns, so dass Obstanbau möglich ist. Das führte dazu, dass bis in die Jahre vor dem 2. Weltkrieg die Dörfer im Innern des Kreises Monschau bevorzugt von Rurberg aus mit Obst versorgt wurden. Durch die Aufstockung der Talsperre ab 1958 ist Rurberg vollständig vom älteren landwirtschaftlich geprägten Dorf zum modernen Fremdenverkehrsort mit der entsprechenden Infrastruktur umgebaut worden.

An der Straße von Kesternich, oberhalb des Tales, ist in den Jahren 1959-61 ein Friedhof für alle, vorher an verschiedenen Stellen im ehemaligen Kreis Monschau bestatteten russischen (bzw. sowjetischen) Kriegstoten eingerichtet worden.

Weiteres: s. Woffelsbach, Eschauel, Weidenauel, Paulushof

Literatur: H. Steinröx – W. Sage: Römische Ausgrabungen in Kesternich und Rurberg, EHV 39 (1967) S. 120-122; W. Vogt: Bodenfunde im Kreise Montjoie, EHV 1929/30) S.18-24; W. Günther: Das Rurseegebiet in der Geschichtte ML 4 (1976) S. 146-155; W. Schleicher: Aus der Geschichte des überfluteten Rurtales, ML 4 (1976) S. 156-158; W. H. van Grasstek: Eine genealogische Spürfahrt im Lande meiner Vorfahren, HKM 16 (1968) S. 107-11; J. Janssen: Die kirchlichen Anfänge von Rurberg, EHV 3 (1927/28) S. 33-37, 55-60, 66-68; B. Läufer: Die Rurberger Pfarrkirche und Pfarrgemeinde im Jahr 1906, ML 28 (2000) S. 28-30; H. Steinröx: Maria auf dem Stein, eine Rurberger Märtyrerin, ML 26 (1998) S. 39-44; K. Mertens: Der „Russenfriedhof“ in Rurberg. Ein Beitrag zu seiner Entstehung, ML 31 (2003) S.80-93; Th. Schreiber: Das obere Rurtal im Spiegel amtlicher topographischer Karten, ML 20 (1992) S. 87-104