Reichenstein

Reichenstein (Erstbezeugung a. [1152-1170] Richwinstein)

Ehemaliges Prämonstratenserstift auf einem Umlaufberg der Rur oberhalb von Monschau. Im Allgemeinen ist in der regionalen Literatur nicht-terminologisch anstelle von genauer “Stift” und “Kanonikern/ Chorherren” die Rede von “Kloster”. Allerdings sollte man den Ausdruck “Mönche” gegenüber „Chorherren / geistliche Herren“ vermeiden.

Kloster Reichenstein – Luftaufnahme v. 1970

Reichenstein war die erste Burg der Grafen (späteren Herzöge) von Limburg im Monschauer Land, von der aus sie das Königsgut Konzen unter ihre Kontrolle brachten. Das Grundwort -stein des Namens ist ein typisches Namenwort für Höhenburgen; das Bestimmungswort als zweigliedriger Personenname weist möglicherweise auf den Erbauer oder einen frühen Inhaber. Zum Jahr 1033 sind jedenfalls im Limburger Umfeld Theodericus et Riquinus de Lembruch bezeugt. In den 30er Jahren des 12. Jahrhunderts übertrug Herzog Walram von Niederlothringen, Graf von Limburg, die aufgelassene Burg an den neuen, im Rheinland und in Westfalen aufstrebenden und beim regionalen Adel beliebten, im Entstehen begriffenen Prämonstratenserorden. Die Aufgaben der Befestigung gingen wohl zunächst an die Turmburg Haller, danach auf die Burg Monjoye/Monschau (s. dort) über.

In einer Frühphase sind Männer und Frauen im Konvent bezeugt, vom 13. Jahrhundert bis 1484 beherbergte Reichenstein einen Frauenkonvent. Nach einem gescheiterten Reformversuch des Frauenkonvents (1484) kam es 1487 zur Neubesetzung mit Steinfelder Chorherren; seitdem als Priorat unter Steinfeld, 1714 zur Propstei erhoben. Die Gründung war wohl ursprünglich wohl als Hauskloster der jeweiligen Herrscher auf der Burg Monschau konzipiert und erfuhr deren stärkste Förderung zur Zeit einer selbstständigen Herrschaft Monschau (1226-1266).

Im Geldernschen Krieg wurde die Anlage 1543 weitgehend zerstört, wobei auch der größte Teil älterer Archivalien untergegangen ist. Erst 1693 konnte der Hochaltar der wiederhergestellten Kirche (St. Maria, St. Bartholomäus, St. Laurentius) geweiht werden. Auch wenn der Wortlaut im Protokollbuch des Klosters auf einen vollständigen Neubau hindeutet, sind tatsächlich wesentliche Teile der steinernen Bausubstanz erhalten geblieben und wiederverwendet in die Wiederherstellung eingegangen.

Im 17. Jahrhundert waren die Reichensteiner Chorherren intensiv in der Seelsorge des Monschauer Landes und bei der Einrichtung von Kirchen gegen den Widerstand der Altpfarren tätig. Die Kirchen von Eicherscheid und Höfen waren Reichenstein incorporiert. Kurz vor seiner Auflösung unter französischer Herrschaft zählte im Jahr 1796 der Konvent 28 Geistliche, davon 11 in Reichenstein selbst residierend. Die letzten Chorherren verließen Reichenstein im Jahr 1802.

Im Zuge der französischen Neuordnung kaufte, nach zeitweiliger Verpachtung (1802), Bernhard Böcking, Unternehmer und nachmaliger preußischer Landrat des Kreises Monschau, im Jahr 1808 das Anwesen. Seine Versuche, zur Rohstoffversorgung der Monschauer Tuchfabrikation spanische Merinoschafe am Hohen Venn einzuführen und durch Einkreuzen in heimische Schafrassen die Wollqualität zu verbessern, schlugen fehl. Seit 1836 führte Jacob Ahren das Anwesen als landwirtschaftliches Mustergut, dessen Vorbild auf die kleinbäuerlichen Betriebe der umliegenden Dörfer ausstrahlen sollte. Die Branntwein- und Käseherstellung des Gutes erreichte einen weiten Bekanntheitsgrad. Mit zunehmendem Fremdenverkehr betrieben die Inhaber (Familie Engels als Nachfahren von J. Ahren) seit 1938 auch Gaststätte und Pension. Die nachfolgenden Eigentümer (Dr. Ernst und Helma Handschumacher) stellten 1993 den landwirtschaftlichen Betrieb ein.

Die weitgehend erhaltene, jedoch profanierte und lange Zeit als Scheune umgenutzte Klosterkirche ist in der Trägerschaft eines Fördervereins seit 1972 schrittweise als Raum für Gottesdienste, Konzerte und Vorträge wiederhergestellt worden. Im Jahr 2008 hat der Verein „St. Benedikt e. V. “ die gesamte Anlage erworben und eine umfangreiche und aufwändige Renovierung eingeleitet mit dem Ziel einer Klosterneugründung durch die Benediktiner von Notre-Dame de Bellaigue (Frankreich). Die Initiatoren stehen der Priesterbruderschaft Pius X. nahe. Die Einweihung erfolgte am 14. Oktober 2017.

Als Wirtschaftsbetriebe gehörten zum Kloster eine Mühle (am Ermesbach beim Viadukt der Vennbahn [Gebäude teilweise erhalten]), die Wirtschaftsgebäude im Vorhof des Klosters und die Höfe Bredtbaum (wüst auf der Höhe nördlich der Mühle, Flur Breddem) und Ruitz (s. dort). Dagegen gehörten die nahe gelegenen Höfe Eschweide (s. dort) und Vennhof nicht zum Klosterbesitz.

In der Nähe des Klosters, beim Rurübergang auf dem Weg nach Kalterherberg, ist 1926 eine Kapelle zu Ehren des Hl. Norbert von Xanten, des Begründers der Prämonstratenser, geweiht worden (Norbertuskapelle; erneuert 1955).

Weiteres: siehe Kalterherberg, Monschau

Literatur: Ehlers-Kisseler: Die Anfänge der Prämonstratenser im Erzbistum Köln, Köln-Weimar-Wien 1997 (= Rheinisches Archiv. 137); M. Brixius, Die Anfänge des Prämonstratenserklosters Reichenstein, EHV 13 (1938) S. 161-173; H. Steinröx: Das Kloster Reichenstein – ein historischer Überblick, ML 15 (1987) S. 54-64; H. Steinröx: Höfe – Mühlen – Schiefersteine. Aufsätze zur Geschichte des Monschauer Landes, Monschau 1994 (= Beiträge zur Geschichte des Monschauer Landes. 3), E. Neuß: Zum Alltag im Kloster Reichenstein, ML 24 (1996) S. 24-38; J. Conrads: Das Venndorf Kalterherberg mit dem Kloster Reichenstein, Neudruck nebst einem Geleitwort des Herausgebers und einem Textkommentar v. E. Neuß, Aachen 1988 [Erstdruck 1938]; H. G. Lauscher: Der Gutshof Reichenstein. Arbeiten und Wirtschaften in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Monschau 2008 (= Beiträge zur Geschichte des Monschauer Landes. 9); H. Arens: Die Siedlungsgeschichte in der Umgebung von Reich(en)stein. Bredtbaum, Ruitzhof, Eschweide, Vennhof, ML 34 (2006) S. 77-86; F. Mertens: Die Norbertuskapelle bei Kloster Reichenstein, ML 44 (2016) S. 50-55; H. G. Lauscher: Wirtshauswesen – Kleinhandel – Trinkgewohnheiten im 19. Jahrhundert. Im Dunstkreis des Reichensteiner Branntweins, Düren 2014 (= Beiträge zur Geschichte des Monschauer Landes. 14)