Reinartzhof  

Reinartzhof  (Wüstung; Belgien)  (Erstbezeugung a. 1338 in nemore prope Renardum; a. 1516 der Reynnart)

Reinartzhof war der Name einer Siedlung aus Einzelhöfen im Hohen Venn westlich von Roetgen, in kommunaler Hinsicht aber zu Konzen (Unterhof) und Mützenich (Oberhof) gehörig, die durch die Grenzziehung nach dem Versailler Vertrag 1920 an Belgien fielen und der Gemeinde Eupen zugeordnet wurden. Wegen ihrer Lage im Einzugsbereich der Wesertalsperre als Eupener Trinkwasserreservoir erging 1958 die Aufforderung zur Aufgabe der Siedlung, der die letzten Bewohner allerdings erst 1971 nachkamen. Die Gebäude wurden abgerissen. Als Gedenkstätte ist im selben Jahr eine Marienkapelle errichtet worden, die jährlich am Pfingstmontag als Wallfahrtsziel aufgesucht wird.

Die Siedlung entstand mit dem Aufschwung der Aachen-Wallfahrt seit der Mitte des 13. Jahrhunderts am stark frequentierten Pilgerweg über das Hohe Venn von Aachen nach Trier, der wenige Kilometer nördlich des Reinartzhofes, von Raeren kommend, die Weser überquerte. Nach dem Monschauer Landrecht von a.1516 war es Aufgabe der Stadt Aachen, die Brücke dort zu unterhalten. Die ersten Zeugnisse von 1338 und 1344 zeigen, dass die Stadt Aachen dazu einen Begarden (Einsiedler) auf dem Reinard bezahlte, der dort wohl ein Pilgerhospiz betrieb. Die Aufgabe der Versorgung von Pilgern mit Hilfe zur Orientierung bei Nacht und schlechtem Wetter durch Glockengeläut ging spätestens ab 1512 auf den Pächter eines Wirtschaftshofes der Herzöge von Jülich über, der an die Stelle der Klause des Begarden getreten war. Die Glocke ist 1515 erneuert worden. Im Jahr 1556 ist ein zweiter Hof errichtet worden, worauf sich die Unterscheidung in Oberhof (ältere Anlage, westlich vom Weg) und Unterhof (spätere Anlage, östlich vom Weg) gründete. Beide Höfe waren gleichzeitig landwirtschaftliche Betriebe, die zur Mahlmühle in Monschau gezwungen waren. Mit der französischen Verwaltung gingen nach 1805 die Höfe als Staatsbesitz in Privathand über.

In der mundartlichen Benennung (dr Rennert) und auch den frühen Schriftzeugnissen fehlt der Bestandteil -hof. Der Name dürfte zu Ehren des hl. Reinhard / Reginhard, Bischof von Lüttich († 1037), gegeben sein, der als Förderer und Beschützer von Straßen und Brücken verehrt wurde.

Trotz der offiziellen kirchlichen Zuordnung nach Konzen und der kommunalen (ab 1835) nach Konzen bzw. Mützenich, haben sich die Bewohner vornehmlich zum näheren Roetgen orientiert. Selbst nach 1920 haben die Kinder noch die Schule in Roetgen besucht; nach dem 2. Weltkrieg war Eupen der zuständige kommunale Bezugsort. Wegen der abgeschiedenen Lage in Grenznähe war der Reinartzhof, insbesondere nach dem 2. Weltkrieg, bis in die frühen 50er Jahre ein idealer Umschlagplatz für den Kaffeeschmuggel, wo der angelieferte Kaffee in traggerechte Gebinde umgepackt wurde. Die verschiedenen Schmuggelkolonnen brachten von dort die begehrte Ware durch das unwegsame Venn über die Grenze.

Literatur: H. Steinröx: Reinartzhof und Hattlich. Zwei alte Kulturstätten im Hohen Venn., Eupen 2014 (= Beiträge zur Geschichte des Monschauer Landes. 13)