Kalterherberg

Kalterherberg (Gemeinde Monschau)  (Erstbezeugung a. 1334 Kaldeherberich)

Ansichtskarte von 1936

Kalterherberg erstreckt sich auf der Höhe zwischen Rur und Schwalm (Perlenbach) in beträchtlicher Länge an einem nord-südlichen Straßenzug, der – nahe Reichenstein an der Rur beginnend – auf ca. 600 m NN ansteigt und über das Hohe Venn nach Elsenborn verläuft. In dieser generellen Richtung verliefen die mittelalterlichen Pilgerwege von Aachen nach Trier und nach St. Hubert in den Ardennen. Die Benennung des Ortes ist als Spottname für eine Pilgerunterkunft an diesem Wege zu verstehen. Die Lage im Waldgeleit zeigt an, dass die Siedlung kaum vor dem 13. Jahrhunderts entstanden sein kann. Die oft angeführte Kleinkirmes am “Dreijungfrauenfest” (Fest der Heiligen Fides, Spes und Caritas) kann nicht, wie immer wieder von neuem als Indiz für ein bis in keltische Zeit zurückreichendes Alter der Siedlung gewertet werden. Die Verehrung weiblicher Dreiergruppen (unter verschiedenen Namen) stellt zwar in der Tat eine christliche Umformung aus dem antiken Matronenkult dar, ist aber nicht an eine feste örtliche Tradierung gebunden. Sie dürfte in christlicher Gestalt über den Pilgerweg nach Kalterherberg vermittelt sein. Örtlich gebundene archäologische Zeugnisse fehlen.

Aufgrund der späteren Erschließung im Waldgeleit und der Nähe zur Burg Monschau hatte Kalterherberg wie Höfen im Mittelalter einen rechtlichen Sonderstatus, der sich u.a. in besonderen Fuhrdiensten für die Burg Monschau zeigte sowie in einigen Wirtschaftshöfen, die zur Unterhaltung der Stadtbefestigung und der Nachtwache in der Stadt Monschau herangezogen wurden. Seitdem die Herzöge von Jülich im ausgehenden 15. Jahrhundert die Verwaltung des Amtes Monjoye selbst in die Hand genommen hatten, bestand in Kalterherberg ein Zoll beim Übergang ins Luxemburgische. Dessen Einkünfte stiftete 1486 Herzog Wilhelm IV. von Jülich-Berg zum Unterhalt der Kirchen im Amt, zur Hälfte für die Pfarrkirchen von Konzen und Simmerath, zur anderen Hälfte für die Schlosskapelle.

In einer Erbauseinandersetzung in der Familie der Schönforster, Pfandinhaber des Amtes Monschau (1361 – 1435), war es 1379 durch einen Schiedsspruch Herzog Wenzels von Luxemburg und Brabant dahin gekommen, dass Johann II. von Schönforst, Burggraf von Monschau, seinem Schwager Peter von Kronenburg einen Ausgleich zukommen ließ, der dem Dorf Kalterherberg als besonderer Haferzehnt auferlegt war. Juristische Streitereien um diese Einkünfte, die als Rentenansprüche im Erbgang aus der Familie der Kronenburger weitergereicht waren, füllen noch im 17. Jahrhunderte Archivregale, als die staatlichen Verhältnisse schon völlig verändert waren.

Gemäß dem Landrecht von 1516 war Kalterherberg nicht zum Mahlen auf eine bestimmte Mühle gebannt, musste aber eine Mühle innerhalb des Amtes aufsuchen. Die Kalterherberger werden die nahegelegene Mühle des Klosters Reichenstein aufgesucht haben.  Nach den Zerstörungen des Geldrischen Kriegs, als alle Mühlen „zerbrochen“ waren, übertrug Herzog Wilhelm V. von Jülich den Mühlenzwang von Kalterherberg auf die Klostermühle und die Einkünfte befristet auf den Konvent, nachdem der Rentmeister nach dem Krieg gegen den bisherigen Gebrauch Abgaben vom Kloster gefordert und mit dem Bau einer landesherrlichen Bannmühle für Kalterherberg gedroht hatte. Nachdem der strikte Mühlenzwang in der Folgezeit immer öfter durchlöchert wurde, hielten sich die Kalterherberger in der Regel an die 1770 in Küchelscheid an der Rur „im Ausland“ errichtete Mühle.

Die erste kirchliche Visitation im Monschauer Land von 1550 nennt für Kalterherberg eine Kapelle unter Konzen, in der Reichensteiner Chorherren Gottesdienste hielten, jedoch ohne Rechte zu Sakramentenspendung und Begräbnis. An der schrittweisen Auflösung der ursprünglichen mittelalterlichen Pfarrorganisation von der Mitte des 17. Jahrhunderts an mit dem Ziel ortsnaher kirchlicher Versorgung waren die Prämonstratenser aus Reichenstein maßgeblich beteiligt. Dem Wirken des Priors Stephan Horrichem (Prior in Reichenstein 1639-1686) ist 1913 ein Denkmal bei der neuen Kirche gesetzt worden. Von 1687 an erhielt Kalterherberg ständige Weltgeistliche als Rektoren. Erhebung zur selbständigen Pfarre erfolgte in der französischen Bistumsgliederung 1804.

Alte Kirche
Neue Kirche

Die Kapelle (St. Lambertus), 1693 mit einem Turm versehen, wurde 1767 um ein neues Langhaus erweitert; Abriss nach Fertigstellung des neoromanischen Neubaus. Unter den katholischen Kirchen der Neubauwelle der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nimmt der Kalterherberger Bau (1897-1901) einen besonderen Rang ein, insofern er nicht im üblichen neogotischen Stil, sondern repräsentativ neoromanisch und mit Doppelturmfront errichtet worden ist, was ihm den volkstümliche Namen “Eifeldom” eingetragen hat. Treibende Kraft dieses Unternehmens war der Pfarrer Gerhard Joseph Arnoldy (1834-1914, Pfarrer in Kalterherberg 1869-1914). Seine langjährige Tätigkeit hat auch auf anderen Gebieten bemerkenswerte Ergebnisse gezeitigt, so u.a. seine Förderung begabter Schüler zu katholischen Priestern (“die 12 Apostel”). Der Heimatdichter Ludwig Mathar (1882-1958) hat in seinem Roman “Herr Johannes” (1930) dem Wirken Arnoldys ein literarisches Denkmal gesetzt.

Der überregional bedeutendste dieser von Arnoldy geförderten Schüler war Matthias Heinrich Prümmer, bekannt unter seinem Ordensnamen P. Dr. Dominikus H. Prümmer OP (1866-1931), seit 1908 Professor für Moraltheologie und Kirchenrecht in Freiburg/Schweiz.

Aus Kalterherberg stammte der Weihbischof des Bistums Aachen von 1977-1980, Maximilian Goffart (1921-1980).

Nach der preußischen Kommunalordnung von 1816 bildete Kalterherberg eine Bürgermeisterei, 1927 mit Höfen zusammengeschlossen zu einem Amt; 1936 wurde Kalterherberg Sitz des gleichnamigen Amtes mit den Gemeinden Höfen und Rohren, 1972 Stadtteil von Monschau.

Durch die Grenzregelung nach dem 1. Weltkrieg wurde Kalterherberg 1921 zwischenstaatliche Grenzübergangsstelle nach Belgien, nachdem die Grenzen gegenüber den benachbarten Siedlungen Elsenborn, Leykaul und Küchelscheid vorher Territorial- (gegenüber Luxemburg, bis 1794) bzw. Kreisgrenzen (gegenüber Malmedy, seit 1816) gewesen waren. Der Bahnhof Kalterherberg und der Bahnkörper der 1885 eröffneten Vennbahn fielen an Belgien, auch wenn sie deutscher Nutzung offenstanden.

Aufgrund der Lage vor dem Westwall kam es Mitte September 1944 zu einer schnellen Besetzung durch amerikanische Truppen, die aus dem Raum Elsenborn vorrückten. Der Zerstörungsgrad blieb daher vergleichsweise mäßig. Anders jedoch als in  Monschau und Mützenich, wo die Bevölkerung zum größten Teil trotz unmittelbarer Frontnähe bleiben konnte, evakuierte die in Kalterherberg zuständige 5. Panzerdivision im Oktober 1944 die verbliebene Zivilbevölkerung in die Stadt und den Kreis Malmedy, wo sie in die Wirren der im Dezember 1944 beginnenden deutschen Ardennenoffensive geriet. Viele der Evakuierten wurden unter schwierigen Lebensbedingungen in Lagern in Belgien und den Niederlanden interniert.

Etwa 300 Jahre früher, im Dezember 1648, nach dem offiziellen Friedensschluss von Münster und Osnabrück, war Kalterherberg Schauplatz eines schlimmen kriegerischen Zwischenfalls. Auf dem Friedhof kam es zu einem blutigen Gefecht zwischen einem lothringischen Söldnerhaufen und dem Schützenaufgebot (“Landsturm”) des Amtes Monjoye und der Fürstabtei Kornelimünster, bei dem mehr als 160 Mann des Aufgebots den Tod fanden. Leichtfertigkeit und mangelnde Erfahrung der Führung sowie unzureichende Bewaffnung scheinen die Ursachen für dieses Desaster gewesen zu sein.

Literatur: J. Conrads: Das Venndorf Kalterherberg mit dem Kloster Reichenstein, Neudruck nebst einem Geleitwort des Herausgebers und einem Textkommentar v. E. Neuß, Aachen : Einhard-Verlag 1988 [Erstdruck 1938]; K. Mertens: Kalterherberg von 1814 bis 1944 in Gemeindechroniken, Gemeinderatsprotokollen und sonstigen Niederschriften, Monschau 1990 (= Beiträge zur Geschichte des Monschauer Landes. 1);  Th. Schreiber: Kalterherberg im Spiegel amtlicher topographischer Karten, ML 27 (1999) S. 65-84; W. Zahn: Hundert Jahre “Eifeldom” St. Lambertus, ML 30 (2002) S. 14-27; M. Zender: Die Verehrung von drei heiligen Frauen im christlichen Mitteleuropa und ihre Vorbereitungen in alten Vorstellungen, in: Matronen und verwandte Gottheiten. Ergebnisse eines Kolloquiums …, Köln – Bonn 1987, S. 213-228. F. J. Brandenburg: Trotz Evakuierung nicht überlebt, ML 46 (20189 S. 128-133