Simmerath

Simmerath (Erstbezeugung a. 1342 Semenroede)

Simmerath liegt im Zentrum der Hochfläche nördlich der Rur an der Abdachung des Hohen Venns. Dank dieser Lage wurde der Ort beim Ausbau der Chausseen im 19. Jahrhundert zum Verkehrsknotenpunkt (B 399 Monschau – Düren; B 266 von Gemünd; L 246 von Nideggen). Seit der Kommunalreform 1972 ist Simmerath der Zentralort der gleichnamigen Gemeinde.

Ansichtskarte von 1910, heute ist hier die Ampelkreuzung

In der Folge der limburgischen Burggründungen seit dem 12. Jahrhundert (Reichenstein, Monschau) kam es zu intensiver Rodung im Reichswald des Hofes Konzen. Die so entstandenen Rode-Siedlungen bildeten einen eigenen Zehntbezirk des Aachener Marienstiftes unter der Bezeichnung “Feldgeleit”, der bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts erschlossen war. Das Grundwort des zusammengesetzten Namens Simmerath enthält im Kern die Wurzel des Verbs roden und schließt sich in der heutigen Laut- und Schreibgestalt an die im nördlichen Rheinland übliche Form -rath an. Das Bestimmungswort dürfte mit einem Personennamen Simmo (Kurzform eines zweigliedrigen germanischen Namens) oder Simon (entlehnter biblischer Name) zu identifizieren sein.

im 2. Weltkrieg zerstörte Kirche

Schon in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde Simmerath Standort einer zweiten Pfarrkirche des Monschauer Landes (St. Johannes Baptist; ein Pfarrer ist zu a. 1346 bezeugt) und trat damit als Hauptort für das “Niedere bzw. Untere (nordöstliche) Kirchspiel” neben Konzen als Sitz des “Oberen Kirchspiels”. Die Wahl dürfte auf Simmerath wegen der etwa gleichmäßigen Entfernung der älteren Siedlungen im nordöstlichen Feldgeleit (Bickerath, Paustenbach, Lammersdorf, Witzerath, Nieder- und Oberrollesbroich [= Strauch], Kesternich und Meisenbroich) zur neuen Pfarrkirche Simmerath (maximal 4 km Luftlinie) gefallen sein. Die ebenfalls zur alten Pfarre Simmerath gehörigen jüngeren Orte Schmidt, Woffelsbach, Rurberg, Pleushütte, Dedenborn, Huppenbroich, Mulartshütte, Zweifall und Vossenack sind durch die nachfolgende Aufsiedlung des Waldgeleits hinzugekommen. Wegen der alten Zehntrechte im Feldgeleit lag der Patronat wie in Konzen beim Marienstift Aachen. Die ehemalige Zehntscheune des Marienstiftes in Simmerath ist erst im Jahr 1821 abgebrochen worden. Die Einrichtung einer zweiten Pfarrkirche ist eines der Indizien dafür, dass in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Bevölkerungszahl der Herrschaft Monjoie der Herren von Valkenburg-Monschau merklich angewachsen und der innere Ausbau des Feldgeleits abgeschlossen war.

Marktplatz, heute Bushof

Im Jahr 1486 dotierte Herzog Wilhelm IV. von Jülich-Berg die Kirche mit einem Viertel des Zolls zu Kalterherberg und stiftete 1489 der Dreifaltigskeitsbruderschaft an der Kirche ein Grundstück für eine Memorie. Bei den Visitationen des 16. Jahrhunderts zeigte sich, dass im Kirchspiel – vornehmlich in Kesternich und den Höfen des Rurtals sowie in Dedenborn, nicht aber in Simmerath selbst – Täufer lebten, die amtlicher Verfolgung ausgesetzt waren. Von der Kirche des 14. Jahrhunderts sind Bauteile im Untergeschoss des Turmes erhalten. 1661 wurde die Kirche um einen Chor erweitert; für 1684 ist die Weihe von drei Altären bezeugt, was auf eine gewisse Größe der Gemeinde schließen lässt. In den Jahren 1840-47 entstand ein Neubau (Weihe 1850), dessen Grundriss auch der Wiederherstellung nach dem zweiten Weltkrieg (1952) zugrunde liegt. Die Erhebung zum Dekanatssitz (1952 Abtrennung von Monschau) knüpfte an die mittelalterliche Tradition des “Niederen / Unteren Kirchspiels” an.

Im 14. Jahrhundert bestand in Simmerath ein Hof der Forstverwaltung als Gerichts- und Schlichtungsstelle in Streitfällen der Waldnutzung, insbesondere der Schweinemast, für “ausländische”, d.h. nicht aus dem Monschauer Land stammende Herden.

Molkerei, Ansichtskarte von 1910

Im Rahmen des mittelalterlichen Mühlenzwanges stand den Simmerathern die Nutzung der Bannmühlen an der Kall (“Lammersdorfer Mühle”) oder im Tiefenbachtal (bei Huppenbroich) frei. Nach dem Wegfall des Mühlenzwangs aufgrund der der französischen Neuordnung seit 1794 ist an der Kall am Kirchweg von Lammersdorf seit 1850 für etwa ein halbes Jahrhundert eine näher gelegene Mühle (Simmerather Mühle) betrieben worden. Der seit dem 19. Jahrhundert sicher bezeugte Simmerather Markt mit zwei überregionalen Märkten im Frühjahr und Herbst geht möglicherweise bis ins 16. Jahrhundert zurück. Das Wahrzeichen des älteren Marktplatzes war die laut Inschrift im Torbogen 1665 errichtete Johanneskapelle, die bei Einrichtung des heutigen Bushofs umgesetzt worden ist.

Bürgermeisterei

Mit der preußischen kommunalen Neugliederung bildete Simmerath 1816 eine Bürgermeisterei mit Bickerath, Huppenbroich, Paustenbach, Rollesbroich und Witzerath; 1851 eine Samtgemeinde (einschließlich der oben genannten Orte) zusammen mit Lammersdorf; ab 1936 ein Amt mit Lammersdorf und Vossenack. Durch die Kommunalreform von 1972 wurde Simmerath Verwaltungssitz und namengebend für eine Gemeinde aus Dedenborn mit Seifenauel und Rauchenauel, Hammer, Eicherscheid, Huppenbroich, Einruhr, (Pleushütte), Erkensruhr, Hirschrott, Kesternich, Lammersdorf, Rollesbroich, Rurberg, Steckenborn, Hechelscheid, Strauch, Woffelsbach, Bickerath, Witzerath, Paustenbach und Gerstenhof. Ähnlich wie das Dekanat umfasst auch die heutige Gemeinde ungefähr wieder den Raum des spätmittelalterlichen “Niederen / Unteren Kirchspiels”.

Durch den Ausbau von Chausseen von der Mitte des 19. Jahrhunderts an und der damit verbundenen Verlegung von Streckenführungen gelangte Simmerath in die Rolle des Verkehrsknotenpunktes in der Mitte des Monschauer Landes, was insbesondere seit dem zweiten Weltkrieg die zentralörtlichen Funktionen Simmeraths nachhaltig verstärkt hat, so dass Simmerath heute auch das wirtschaftliche Zentrum (Handel und Gewerbe) der gleichnamigen Gemeinde darstellt.

In der Zeit einer noch dominierenden Landwirtschaft hatte Simmerath seit 1896 eine genossenschaftliche Molkerei (1940 mit Strauch vereinigt), die 1967 geschlossen wurde.

Krankenhaus 1914

Das 1914 (Grundsteinlegung 1913) eröffnete Krankenhaus war seit den 50er Jahren bis 1971 Kreiskrankenhaus und ist seitdem ständig erweitert und modernisiert worden.

Ein Lehrer und Elementarunterricht im Winter sind schon in einer kirchlichen Visitation von 1721 bezeugt. Die Gemeinschaftshauptschule Simmerath wurde 1972 eingeweiht. Seit 1947 besteht in Simmerath eine gewerbliche Berufsschule, die mit neuem Gebäude an der Bickerather Straße (Einweihung 1952) als Kreisberufsschule fortgeführt wurde (neue Gebäude an der Hauptstraße seit 1959, mehrfach erweitert).

Im Gefolge der Kreisberufsschule des ehemaligen Landkreises Monschau entstand ein 1972 eröffnetes “Berufsbildungs- und Gewerbeförderungszentrum” (BGZ), das u.a. auch Ausbildung von Kandidaten aus Entwicklungsländern betreibt. 1978 folgte das Katastrophenschutz- und Hilfeleistungszentrum des Kreises Aachen. In den Gebäuden des BGZ existiert seit 2003 die Berufsfachschule für den Rettungsdienst des DRK-Landesverbandes Nordrhein.

Wie in fast allen Orten des Monschauer Landes war auch in Simmerath am 12. September 1944 die Räumung angeordnet worden, die wie vielerorts nur teilweise befolgt wurde, doch hatten bis Anfang Oktober fast alle Bewohner das Dorf verlassen, das Krankenhaus war evakuiert. Bei der ersten amerikanischen Offensive auf die Talsperren wurden Simmerath und Kesternich zwar am 13. Dezember 1944 eingenommen, wegen der am 16. 12. einsetzenden deutschen Ardennenoffensive blieb der Angriff jedoch ohne dauerhaften Erfolg bis zur zweiten amerikanischen Offensive vom 30. Januar 1945.

Literatur: Neuß: Simmerath. Von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, ML 33 (2005) S. 31-41; 34 (2006) S. 29-40; Th. Schreiber: Meßtischblätter spiegeln Simmeraths Entwicklung, ML 18 (1990) S. 55-66; Th. Schwonzen: Geschichte des St. Brigida Krankenhauses Simmerath, ML 31 (2003) S. 22-28; Irma Koll: Die Molkerei-Genossenschaft Simmerath-Strauch, ML 29 (2001) S. 143-151; Blickpunkte. 30 Jahre Gemeinde Simmerath. Katalog der Ausstellung, hg. von der Gemeinde Simmerath, bearb. v. B. Läufer, Simmerath 2002; Simmerath von den Anfängen bis heute. Anno 1342 – Anno 2002, Simmerath 2001; Anno 1346. 650 Jahre Pfarre St. Johannes der Täufer Simmerath, Simmerath 1996