Mützenich

Mützenich (Gemeinde Monschau)  (Erstbezeugung a. 1361 Muetzenich)

Mützenich liegt auf der nach Südosten weisenden Abdachung des Steling, der höchsten Erhebung des Hohen Venns im Monschauer Land (660 m ü. NN) und ist damit im Durchschnitt 100 m höher gelegen als die Dörfer auf der Rurhochfläche. Die heutige Hauptverkehrsverbindung ist die Straße von Monschau mit Grenzübergang nach Eupen (Belgien, L 214), während es vor dem Bau der napoleonischen Straße von Aachen nach Monschau (1804-1813) die Verbindung von und nach Aachen war, die  über den Steling durch das Venn verlief.

Kaiserliche Postagentur

Das heutige Mützenich setzt die beiden ursprünglich getrennt wahrgenommenen Siedlungen Mützenich und Lauscheid fort. Der Name Lauscheid ist heute auch nicht mehr als Ortsteilname auf Karten verzeichnet, doch sind unter den Aufzeichnungen des Gewohnheitsrechts im Lagerbuch von 1649 für Lauscheid und Mützenich noch je eigene Weidebezirke ausgewiesen. Mützenich ist der höher gelegene Teil der beiden Siedlungen. Der Name setzt einen gallorömischen -(i)acum-Namen fort, zu rekonstruieren als *Muttini-acum, auch wenn römerzeitliche Funde im Ortsbereich, anders als in Kesternich und Konzen (s. dort), bisher fehlen. Allerdings sind beim Torfgraben 1783 im Torfmoor bei Hattlich die Reste einer mit Hölzern befestigten Fahrstaße und eines menschlichen Körpers gefunden worden, bei dem sich auch noch Waffenreste (Schwert, Helm) erhalten hatten. Die Siedlung hat wohl an einer Wegeverbindung von Konzen auf die Vennhöhe gelegen, wo in der Verlaufsrichtung der mittelalterlichen Kupferstraße ein älterer römerzeitlicher Weg anzunehmen ist. Zusammen mit Konzen und Kesternich liefert der Ortsname Mützenich einen Hinweis darauf, dass nach Abbruch der römerzeitlichen Erschließung das Monschauer Land nicht gänzlich unbewohnt geblieben ist, auch wenn die Siedlungsgeschichte des Raumes wesentlich mit der Karolingerzeit neu beginnt.

Scheunentor Haus 82, stammte aus der alten Postremise in Monschau

Lauscheid (Erstbezeugung a. 1334 de Lauscheidt, a. 1361 Louerscheyt) war dagegen der tiefer zur Vennbahn nahe dem ehemaligen Bahnhof Monschau-Mützenich gelegene Ortsteil, oberhalb der Täler des Kleinen und Großen Laufenbachs. Wie bei den  anderen Namen auf -scheid dient der zugehörige Gewässername zur Kennzeichnung der benachbarten, mit -scheid bezeichneten Höhe (vgl. die Ortsteilnamen zu Schmidt). Der Namentyp gehört der hochmittelalterlichen Rodungsphase an. Beide Siedlungen finden sich entsprechend im Feldgeleit, dessen Orte in der Mitte des 13. Jahrhunderts bestanden. Beide Dörfer und die zugehörige Eschweide gehörten gemäß dem Landrecht von 1516 zum Bann der Mahlmühle in Monschau. Zu Mützenich gehören die nahe Reichenstein gelegenen Plätze Eschweide (a. 1495 die Eschweidt; s. dort) und Vennhof (um 1560). Die Mützenicher Flur ist durch großflächige Vennkultivierungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beträchtlich erweitert worden. Dazu gehören vor allem die Rodungen Platte Venn (1905-1917) im Westen nahe der Höhe Hahnheister und Hatzevenn (1923-1929) westlich der Vennbahn zwischen Mützenich und Konzen. Beide Bezirke grenzen durch die Regelungen des Versailler Vertrages seit 1920 an Belgien. Die Straßenverbindung durch das Hatzevenn nach Konzen (L 106) ist erst im Rahmen der Kultivierung angelegt worden. Der am Rande des Hatzevenns gelegene Hof Staffelbusch war in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zur französischen Zeit (1794) Zehntscheune des Aachener Marienstifts. Vergleichsweise spät, erst im 19. Jahrhundert, stellten die Bewohner ein Gesuch für einen Kirchenbau (1840), um sich von der Urpfarre Konzen zu verselbständigen. Ein Neubau (St. Bartholomäus) konnte 1850 geweiht werden, Pfarrerhebung erfolgte 1856. Eine seitliche Erweiterung der im 2. Weltkrieg nur wenig beschädigten Kirche wurde im Jahr 1954 geweiht. In der ersten preußischen Kommunalordnung von 1816 kam Mützenich mit Eschweide, Konzen, Menzerath und Widdau zur Bürgermeisterei Imgenbroich, bildete ab 1851 mit Imgenbroich und Konzen eine Samtgemeinde und kam 1936 als Gemeinde zum Amt Imgenbroich, das neben Konzen nun um Eicherscheid erweitert war. Seit der Kommunalreform von 1972 ist Mützenich Teil der Stadt Monschau. Durch die Grenzregelungen nach dem Versailler Vertrag wurde die neue belgische Grenze gegenüber der ehemaligen Kreisgrenze Eupen – Monschau nach Osten vorverlegt, so dass Ländereien und Wald von Mützenich auf belgischem Territorium lagen. Das Nutzungsrecht jedoch verblieb bei den deutschen Eigentümern, ging aber nach dem Krieg und mit der deutsch-belgischen Grenzregelung von 1956/58 verloren.

Buchenschutzhecke in Mützenich

Bei der großen Auswanderungswelle der Mitte des 19. Jahrhunderts in das Gebiet der Großen Seen Nordamerikas, haben zwischen 1847 und 1856 auch mehrere Familien aus Mützenich ihre Heimat verlassen. Aufgrund der Lage vor dem Westwall und des schnellen amerikanischen Vorstoßes aus dem Raum Eupen im September 1944 mit Einnahme von Mützenich fielen die Kriegszerstörungen in Mützenich im Vergleich zu den Orten im Innern des Landkreises deutlich geringer aus. Im Zusammenhang der Nachkriegsregelungen zur Neufestlegung der belgisch-deutschen Staatsgrenze, als im Frühjahr 1949 u. a. die Abtretung von Mützenich und Teilen von Roetgen (westlich der Vennbahn) erörtert wurden, beantragte der Mützenicher Gemeinderat in einer Petition an den belgischen Premierminister Paul Henri Spaak vom 23. 04. 1949 zum Entsetzen der deutschen Stellen (Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Regierungspräsident Aachen  –  die Bundesrepublik Deutschland existierte noch nicht!) den Anschluss Mützenichs an Belgien. Die Aktion, die vor allem auf die prekäre Lage der Grenzgemeinde aufmerksam machen sollte, wurde von der belgischen Regierung ignoriert und führte zu einer Suspendierung des Gemeinderates am 27. 05. 1949. Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes und der ersten Bundestagswahl am 14. 08. 1949 verliefen jedoch weitere Maßnahmen im Sande und der Gemeinderat  wurde mit Nachricht vom 23. 08. 1949 wieder eingesetzt.

Literatur: C. de Berghes: Skizzen über Monschau und das Monschauer Land vor neunzig Jahren (1864), hg. v. Geschichtsverein des Kreises Monschau, Monschau 1954; H. Steinröx: Selbständige Pfarre Mützenich 1856, ML 7 (1979) S. 101-102; K. Mertens: 45 Gefangene kultivierten das Platte Venn, ML 22 (1994) S. 95-96; H. Steinröx: Höfe – Mühlen – Schiefersteine. Aufsätze zur Geschichte des Monschauer Landes, Monschau 1994 (= Beiträge zur Geschichte des Monschauer Landes. 3); D. Küpper – K. Schütt: Die Familie Voell in Amerika, ML 31 (2003) S. 44-49; H. G. Lauscher – K. Schütt: “ich will euch mein weniges fon der gemeinde Mützenich mitheilen. “, ML 35 (2007) S. 44-52; Th. Schreiber: Mützenich im Spiegel amtlicher topographischer Karten, ML 26 (1998) S. 47-63; Ch. Brüll: Die „Revolte von Mützenich“ (1949): eine deutsch-belgische Grenzgeschichte, ML 42 (2013) S. 103-Mützenich (Erstbezeugung a. 1361 Muetzenich)