Lammersdorf

Lammersdorf  (Gemeinde Simmerath)  (Erstbezeugung a. 1361 Lamberscheyt, seit der Mitte des 16. Jahrhunderts tritt in der Schriftlichkeit zunehmend das Grundwort -dorf auf, z.B. a. 1560/61 Lamerstorf, das in der mundartlichen Namensform nicht vorkommt.)

An der nach Süden gerichteten Abdachung des Hohen Venns, auf einem Rücken oberhalb der Täler von Heppenbach, Kall und Keltzerbach gelegen, war Lammersdorf die nördlichste Siedlung im Feldgeleit. Der Ort geht damit in die hochmittelalterliche Ausbauphase des Monschauer Landes zurück und ist vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden.

Das Grundwort -scheyt entspricht dieser Zeitstellung; es bezeichnete Höhenrücken zwischen Bachtälern (s. Schmidt). Das Bestimmungswort der Zusammensetzung dürfte am ehesten der Personenname Lambert sein, der sich als Nachbenennung nach dem Lütticher Heiligen größerer Beliebtheit erfreute. Die mundartliche Lautgestalt zeigt eindeutig, dass das späte Auftreten eines sekundären Grundwortes -dorf eine Folge der frühneuhochdeutschen Schriftlichkeit darstellt. Ein urkundliches Zeugnis Lamberstorp von a. 1213 ist nicht auf das hier behandelte Lammersdorf zu beziehen.

Unter den Täufern, die seit den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts im Amt Monjoye auftraten, sind einige auch für Lammersdorf bezeugt, während der weit größere Teil im Raum Kesternich – Dedenborn – Rurtal lebte.

Auf die Errichtung einer Kapelle (1690) folgte mit dem Bau einer  Kirche 1705/06 (Weihe 1709, St. Johannes Baptist) ein erster Schritt zur Verselbständigung als Filialkirche der Mutterpfarre Simmerath (formelle Pfarrerhebung 1804). Der Kirchenneubau (Grundsteinlegung 1901, Weihe 1907) ist nach Behebung der Kriegsschäden eines der wenigen Beispiele der in ihrer äußeren Gestalt und weitgehend auch der Innenausstattung (einschließlich der restaurierten Ausmalung) unverändert erhaltenen neugotischen Kirchen der Neubauwelle des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.

Nachdem mit der stetigen Erweiterung der Junker-Werke (s. unten) die Zahl evangelischer Christen in Lammersdorf deutlich angestiegen war, errichtete die evangelische Gemeinde Monschau, zu der Lammersdorf gehörte, eine Kapelle in Lammersdorf (Weihe 1937, Abbruch 1987), die später durch ein Gemeindehaus (Einweihung 1976) ersetzt wurde.

In Fortsetzung der französischen Mairie von 1813 bildete Lammersdorf von 1816 an eine Bürgermeisterei mit Mulartshütte und Zweifall. Von 1851 an erfolgte insofern eine Umorientierung, als Lammersdorf zu einer Samtgemeinde mit Simmerath zusammengeschlossen und Zweifall eigene Gemeinde wurde. Ab 1936 gehörten dann Lammersdorf und Vossenack zu einem Amt Simmerath; seit 1972 ist Simmerath der namengebende Gemeindesitz (s. dort).

Die Tradition als Bauerndorf ist im “Bauernmuseum Lammersdorf” (eröffnet 1985) dokumentiert. Ein herzogliches Lehnsgut (Reimersgut), das 1461 an einen Ludwig von Bickerath verlehnt wurde, ist bezüglich Lage und Geschichte noch nicht näher erforscht. In den Jahren 1911-1915 wurde nordöstlich des Dorfkerns an der Straße nach Vossenack (Langschoß) das Venn zur Einrichtung einer Provinzialdomäne gerodet, die bis zum Beginn der 30er Jahre von Inspekteuren bewirtschaftet wurde. Danach erfolgte eine Aufteilung auf fünf Einzelhofstellen.

Bahnhof um 1900

Der Anschluss an die Vennbahn (1885), die Lammersdorf wohl nur deshalb berührte, um in weit geschwungenen Serpentinen von Aachen aus die Vennhöhe überqueren zu können, führte zu ersten Einwirkungen auf die Dorfstruktur mit Bebauung der Bahnhofstraße, Entstehung von Handelsunternehmen für Massengüter (Kohle, Dünger usw.) und Ansätzen zum Fremdenverkehr. Der Bahnanschluss aber war ein entscheidender Grund für die Ansiedlung der Junker-Werke (1924). Dieses Unternehmen hat sich zu einem weltweit führenden Hersteller im Bau von Industrieschmelzöfen entwickelt, dem mehrere Tochterunternehmen angehören. Im Gefolge des Industriebetriebes entstanden bereits zwischen 1936 und 1966 drei Wohnsiedlungen (Junkersiedlung, Waldsiedlung und Kämpchen), ehe auch in anderen, insbesondere den nach Aachen orientierten Dörfern des Monschauer Landes größere Wohnsiedlungen erschlossen wurden.

Nachdem der größte Teil der Bevölkerung ins Landesinnere evakuiert worden war (12.09.1944), trafen die am 14. September einrückenden amerikanischen Truppen noch etwa ein Drittel der Bevölkerung im Dorf an. Während die Amerikaner einen Teil davon aus der Kampfzone nach Roetgen verbrachten, blieb ein anderer Teil für einige Monate in unmittelbarer Frontnähe.

Unterhalb von Lammersdorf lag an der Kall, an der Verbindung nach Rollesbroich, die Bannmühle für den nordöstlichen Bereich des Monschauer Landes (“Lammersdorfer-” oder “Kallmühle”), die auch für Lammersdorf zuständig war. Weiter kallabwärts liegt die in den Jahren 1934/35 errichtete Kalltalsperre, die auch den Keltzerbach anstaut. Die Talsperre ist durch Stollen  mit  dem Rurstausee und der Dreilägerbachtalsperre (zwischen Roetgen und Rott) verbunden und dient der Trinkwasserversorgung des Raumes Aachen.

Literatur: Neuß: Lammersdorf – Lammerscheid. Zur Frage der Erstbezeugung des Ortes und zur Namengeschichte, ML 12 (1984) S. 26-41; J. Kreitz – H. Arens: Katholische Pfarrgemeinde Lammersdorf einst und jetzt, o.O. o.J. [Lammersdorf 1980]; B. Läufer: Nachrichten der merkwürdigsten Begebenheiten. Chronik der Gemeinden Lammersdorf, Zweifall und Mulartshütte, Monschau – Aachen : Helios 2006 (= Beiträge zur Geschichte des Monschauer Landes. 7) ; B. Läufer: Zwischen Verzweiflung und Hurra. Der Bau der Vennbahn am Beispiel Lammersdorfs, ML 39 (2011) S. 88-113; B. Läufer: „Ebenso wie in der Schweiz. Wunderschön!“ Wie mit der Vennbahn der Tourismus nach Lammersdorf kam, ML 40 (2012) S. 60-78; U. Schuppener: Die ehemalige evangelische Kapelle in Lammersdorf, ML 43 (2015) S. 113-125; B. Läufer: wie dieselbe von uralterß hero gewesen. Historische Straßen in und um Lammersdorf, ML 45 (2017) S. 52-76.