Eicherscheid

Eicherscheid  (Gemeinde Simmerath)  (Erstes Zeugnis des Namens, nicht der Siedlung, a. 1306 Eygenscheyt)

Lange schon vor Entstehung des gleichnamigen Dorfes war der Name Eicherscheid als Flurname für den Höhenrücken östlich vom Belgenbach und nördlich der Rur im Gebrauch, wie seine Verwendung für die erste Mahlmühle des Monschauer Landes (a. 1306 …molendini nostri dicti Eygenscheyt…) am Belgenbach (Nähe Belgenbachbrücke an der B 399) und den herzoglichen Lehnshof in Huppenbroich (a. 1473 hofgut zu Eischscheidt) zeigt. Deshalb kann auch nicht mit letzter Sicherheit auf die Existenz des Dorfes Eicherscheid aus der Erwähnung des Namens in der Gründungsurkunde von Hammer geschlossen werden, wo dieses lokalisiert ist als gelegen uff der Rhore entgen Eicherscheidt (a. 1463)‚ gelegen an der Rur gegenüber von Eicherscheid‘, wenn auch damit höchst wahrscheinlich ein erstes Zeugnis für die Siedlung vorliegt.

Das Dorf Eicherscheid setzt eine ältere, im Feldgeleit entstandene Siedlung Fronrath (s. dort) fort, die östlich der heutigen B 399 und südlich der Kreuzung Am Gericht zu suchen ist. Diese Siedlung ist nach 1400 aufgegeben und durch Eicherscheid ersetzt worden. Nach einem Zeugenverhör von a. 1550, in dem das (wegen Brand?) aufgegebene Dorf Froen-Eytscheit bzw. Froen-Rode, da das gericht nu steyt, heißt, reichen die Anfänge der neuen Siedlung tiefer im Wald in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurück. Ein sicherer Beleg für die neue Siedlung findet sich a. 1516 im Monschauer Landrecht (Eycherscheyt), wo das Dorf der Mühle am Belgenbach zugewiesen ist. Infolge der Neugründung lag Eicherscheid außerhalb des Feldgeleits. Da die Rodung im Vergleich zu den älteren Siedlungen im Feldgeleit recht spät erfolgte, gibt der Siedlungsgrundriss in den Zeichnungen des Urkatasters wie bei ähnlich gelagerten späten Siedlungen wertvolle Hinweise über den Rodeprozess als solchen zu erkennen.

In der Gemarkung Bongert  in Eicherscheid konnten im Winter 1958/59 römische Fundamentreste eines einfachen Fachwerkbaus der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts ergraben werden. Der Fall zeigt exemplarisch, dass das Monschauer Land im Mittelalter neu erschlossen und wiederbesiedelt worden ist, nachdem weite Strecken der Eifel- und Ardennenhöhen nach dem Ende der römischen Herrschaft wieder von Wäldern bedeckt waren.

Trotz Zugehörigkeit zur Urpfarre Konzen und Zehntpflicht zum Marienstift Aachen begannen die Eicherscheider 1683 mit dem Bau einer Kirche, unterstützt durch die Prämonstratenser vom Priorat Reichenstein (Weihe 02.09.1685) und erreichten in der Folgezeit faktisch den Status einer eigenen Pfarre, was nach längeren Verhandlungen schließlich 1713 zur endgültigen Lösung aus der Urpfarre Konzen und zur Inkorporation nach Reichenstein führte. Mit der kirchlichen Neuordnung der französischen Zeit und der Gründung des ersten Bistums Aachen wurde Eicherscheid 1804 Pfarre innerhalb der nachfolgenden Diözesanstrukturen (Erzbistum Köln 1825, Bistum Aachen 1930).  Nach Schließung der alten Kirche 1924 wegen Baufälligkeit kam es zum Neubau 1933, Neuweihe nach Kriegszerstörungen 1954 (St. Lucia).

Seit der Pfarrgründung bis kurz nach dem 1. Weltkrieg bestand der Brauch einer Wallfahrt zum Salvator nach Nievenheim, wozu ein Pilgerbüchlein von 1757 vorliegt.

Laut der kirchlichen Visitation von 1721 war in Eicherscheid und in Hammer je ein Lehrer tätig, und schon vor Durchsetzung des allgemeinen Grundschulwesens in preußischer Zeit ist in Eicherscheid durchgängig Elementarunterricht bezeugt. Schließung der örtlichen Grundschule 1978.

In kommunaler Hinsicht bildete 1816 Eicherscheid zusammen mit Hammer und  Huppenbroich eine Bürgermeisterei. Nach der preußischen Gemeindeordnung von 1850 galt Eicherscheid 1851 als eine Gemeinde, die seit 1861 der Landbürgermeisterei (seit 1927 „Amt“) Imgenbroich zugeordnet war. Daher kam Eicherscheid mit den Ortschaften Hammer, Imgenbroich, Widdau, Konzen und Mützenich zum 1936 neugeordneten Amt Imgenbroich. Mit der kommunalen Neugliederung vom 01.01.1972 ist Eicherscheid Bestandteil der Gemeinde Simmerath.

In den ersten Oktobertagen 1944 wurde das Dorf evakuiert; am 30. Januar 1945 eroberten Einheiten der 78. amerikanischen Infanterie-Division den stark zerstörten Ort. Soweit die Evakuierten nicht über den Rhein ausgewichen waren, kehrten die ersten bereits vor April 1945 zurück.

Obwohl eine größere Anzahl Eicherscheider Bauern schon der Molkereigenossenschaft in Imgenbroich (gegründet 1892) angehörte, konstituierte sich 1910 eine eigene Molkereigenossenschaft, die bis 1953 bestand und sich darauf der Molkerei Imgenbroich anschloss (s. dort). Eine besondere Spezialität des Eicherscheider Handwerks bestand in der „Holzsattlerei“, der Herstellung der Holzteile vom Zuggeschirr der Pferdeanspannung aus Heckenholz: Hahmspäne und Tragsättel. Sie mussten vom Sattler durch entsprechende Polsterung zu vollständigen Hahmen und Tragsätteln weiter verarbeitet werden.

Der herzogliche Lehnshof Eicherscheid, dessen erste Verlehnung zu a. 1473 bezeugt ist, lag auf dem Gebiet des heutigen Huppenbroich (s. dort) und existierte  wahrscheinlich schon vor den Dorfsiedlungen Huppenbroich und Eicherscheid. Diese ursprünglich mit einem Wassergraben befestigte und noch als Wüstung erkennbare Hofstelle wird immer wieder mal fälschlich als herrschaftliche Burg eingeordnet.

Weiteres: s. Fronrath

Literatur: J. Janssen: Die Errichtung der Pfarre Eicherscheidt, EHV 4 (1928) S. 125-136;   F. Cores: Die Flurnamen der Gemarkungen Eicherscheid, Hammer und Huppenbroich. Ein Beitrag zur geschichtlichen Auswertung der Flurnamen, Bonn 1940; 300 Jahre Pfarre St. Lucia Eicherscheid 1685 – 1985, Eicherscheid 1985; Eicherscheid – Ein Eifeldorf erinnert sich, hg. v. Eifelverein OG Eicherscheid, Eicherscheid 1995; Th. Schreiber: Eicherscheid im Spiegel amtlicher topographischer Karten, ML 23 (1995) S. 46-60; H. Steinröx: Eine Ausgrabung in Eicherscheid, EHV 36 (1964) S. 126-127; U. Förster: Die letzte Wallfahrt nach Nievenheim, ML 6 (1988) S. 125; T. Heiler: Das Haus Isaak und die Molkerei in Eicherscheid, ML 41 (2013) S.124-125

Dorfansicht mit der alten Kirche, die 1933 durch einen Neubau ersetzt wurde.
Gaststätte gegenüber der uralten Dorflinde. Hier lebte ab 1922 die Familie Leo Kaufmann als damals einzige jüdische Familie des Monschauer Landes. Die Familie floh 1938 aus Deutschland.